Gesichtserkennungssoftware „Clearview AI“

Wie Künstliche Intelligenz in der Strafverfolgung eingesetzt wird

Über die private Firma Clearview AI wurde u.a. im englischen Sprachraum sehr umfassend berichtet. Der derzeitige Sitz der Firma ist in New York, USA.

Die Firma scannt das Internet weltweit nach öffentlich verfügbaren Fotos auf allen Webseiten. All diese Fotos werden – laufend und 24/7 – durch die Firma heruntergeladen, gespeichert und die firmeneigene Künstliche Intelligenz (KI) damit gespeist und weiterentwickelt. Die KI ermöglicht es ein Bild – beispielsweise ein Selfie oder ein Bild einer Überwachungskamera – hochzuladen und mit allen verfügbaren Fotos der Datenbank zu vergleichen. Im Februar 2020 umfasste die Datenbank laut eigenen Angaben von Clearview circa drei Milliarden Fotos; Tendenz steigend.

Aufgrund der großen Mengen an Fotos findet das Programm alle im Internet vergleichbaren Fotos der Person, praktisch verlinkt mit den Internetseiten, von der das jeweilige Foto stammt. Die Firma wirbt damit, dass eine sehr hohe Treffsicherheit besteht, dies unabhängig von den Lichtverhältnissen, der Perspektive des Bildes, Frisur, Gesichtsbehaarung oder Alter der abgelichteten Person. Es gäbe quasi keine „falschen“ Ergebnisse und bisher kein Gesicht, dass nicht von Clearview gefunden werden konnte.

Der „Service“ von Clearview AI ist ausschließlich für Mitglieder und Behörden von Strafverfolgungsbehörden verfügbar. Interessanterweise wird dieser Service nicht nur von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden verwendet, sondern bereits von vielen anderen Staaten, darunter auch Kanada, England, Frankreich, Italien, Schweiz, Schweden, Slowenien, Indien und vielen weiteren Ländern.

Probleme wie „racial/gender bias“ also eine Schwäche der Gesichtserkennung bei Gesichtern von Frauen oder dunkelhäutigen Personen, bestünden gerade nicht bei der KI von Clearview, so der Firmengründer in einem Interview mit CNN. Zwar könne derzeit eine Gesichtserkennung über Clearview nicht als Beweis in einem gerichtlichen Verfahren genutzt werden, oft finde sich aber durch die gefundenen Bilder und die damit verlinkten Internetseiten, auf der das Bild hochgeladen wurde, der entscheidende Hinweis für die Ermittler. Die Ermittler können sich von dem Programm benachrichtigen lassen, sobald ein neues Bild der gesuchten Person im Internet hochgeladen wird.

Unklar und undurchsichtig ist, inwieweit und anhand welcher Kriterien Clearview die „Identität“ der Strafverfolgungsbehörden, die den Service nutzen wollen, überprüft. Zwar muss bei der Registrierung versichert werden, dass man Mitglied oder Leiter einer Strafverfolgungsbehörde ist, inwieweit diese Angaben aber durch Clearview überprüft werden, ist nicht ersichtlich.
Zudem werden Strafverfolgungsbehörden teilweise auch kostenfreie „Probezugänge“ zur Verfügung gestellt. Kritisch wird die offensive Werbung des Unternehmens bei den Behörden gesehen. Fragen von Journalisten, ob die KI zukünftig auch für andere Kunden – auch private Kunden – zur Verfügung stehen soll, werden ausweichend beantwortet und stets betont, man wolle mit der KI Gutes tun.

Sicher ist, dass eine derartige KI die Anonymität im Netz aufhebt, eine Vielzahl an rechtlichen Fragen aufwirft und zu einem Überdenken der eigenen „Freizügigkeit“ beim Hochladen von Bildern von sich und anderen anregen sollte. 

Alexa Frey, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht und IT-Recht

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